Hallo zusammen,
nachdem ich den eigentlich dafür vorgesehenen Samstag vertrödelt habe, bin ich am Sonntag doch noch ins schleswig-holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf gekommen.
Das letzte Mal war ich wohl vor rund 40 Jahren hier. Highlights waren damals die Moorleichen und das Nydam-Boot.
Das liegt noch heute in der separaten Nydam-Halle und sieht so aus:
Und hier als Modell:
Die Wikinger wussten damals schon, wie man seetüchtige, schnelle Schiffe baut. Das um 320 n. Chr. gebaute Nydam-Boot hatte 45 Mann Besatzung. Fast alle davon werden gerudert haben, denn einen Mast für Segel gab es nicht.
Gefunden wurde das Boot 1863 im Nydam-Moor nahe der dänischen Stadt Sonderburg und bald danach einer Sammlung im damals noch dänischen Flensburg angegliedert. Nur ein Jahr später verlor Dänemark die Herzogtümer Schleswig und Holstein, sowie Südjütland mit dem Fundort des Nydam-Bootes an Preußen und die Flensburger Sammlung mit dem Boot gehörte zur Kriegsbeute.
1877 kam das Boot in eine Ausstellung nach Kiel, wo es auf dem Dachboden des Museums für vaterländische Alterthümer gezeigt wurde. 1920, nach dem ersten Weltkrieg, gab es eine Volksabstimmung, bei der die deutsch-dänische Grenze in etwa dort gezogen wurde, wo sie auch heute noch verläuft. Der Fundort des Bootes war jetzt wieder dänisch und die Dänen verlangten es zurück. Auf deutscher Seite forderte man Kunstwerke aus schleswig-holsteinischen Schlössern und Herrenhäusern zurück. Darauf wollten die Dänen nicht eingehen und so blieb das Nydam-Boot in Kiel.
1934 wurde ein Nachbau auf einer Werft an der Weser gebaut, der auch in einigen NS-Propagandafilmen mitgespielt hat, schließlich war es dem Regime wichtig, zu zeigen, was schon die alten Germanen alles konnten. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Boot aus dem Kieler Museum ausgelagert und hat den Krieg unbeschadet auf einer Schute im Möllner See am Elbe-Lübeck Kanal überstanden.
Auch jetzt wollten es die Dänen gerne wieder haben, doch diesmal entschieden die Briten als Besatzungsmacht, dass es Teil des neu zu gründenden Landesmuseums werden sollte. So wurde es 1946 durch die Elbe, den Nord-Ostsee-Kanal und die Schlei nach Schleswig gebracht. Vom Mai 2003 bis zum März 2004 ging es als Leihgabe an das Dänische Nationalmuseum nach Kopenhagen.
Im Schloss Gottorf selbst erstreckt sich die Sammlung zu Kunst und Kulturgeschichte, sowie Archäologie über drei Stockwerke. Wer wirklich alles sehen und erfassen will, wird mehr als einen Tag brauchen. Darunter ist viel Malerei, viele Porträts der Herzöge zu Gottorf und anderer Größen des Landes zwischen den Meeren. Zu sehen sind auch Bauernstuben aus verschiedenen Landesteilen und die Lübecker Weinstube.
Diese Weinstube stammt ursprünglich aus einem Haus an der Untertrave, das im 15. Jahrhundert erbaut wurde. 1905 wurde die Stube an ein Kieler Museum verkauft. So wie dieser finden sich auch andere Räume aus Herrenhäusern oder Schlössern des Landes hier wieder, so gibt es auch einen Raum aus dem Plöner Schloss.
Von der ursprünglichen Einrichtung des Schloss Gottorf als Residenz der Herzöge von Gottorf ist nicht mehr viel erhalten. 1848 wurde die Anlage zu einem Lazarett, später zu einer Kaserne und bei dieser Nutzung blieb es bis 1945.
Erhalten und sehenswert ist die Schlosskapelle von 1590.
Über dem Altar die prächtige Patronatsloge…
…hier drin konnte der jeweilige Landesherr in seiner geheizten Stube den Gottesdienst verfolgen…
…oder sich auch mal die Intarsien angucken.
Dann sind noch jede Menge Altäre aus verschiedenen Kirchen des Landes zu sehen, sowie Fayencen und Möbel.
In der Sammlung zur Archäologie natürlich Waffen und Geräte, sowie Grabbeigaben, womit wir bei den Moorleichen wären. Die Herrschaften liegen leider im Dämmerlicht hinter dickem Glas und sind schlecht zu fotografieren, weshalb es davon keine Bilder gibt. Natürlich habe ich gerade diesen Teil als besonders gruselig in Erinnerung. Der Schauder von damals wollte sich aber diesmal nicht so recht einstellen, vielleicht auch weil es zum Teil andere Leichen waren, als ich sie in Erinnerung hatte und auch der Kontext hatte sich verändert.
Damals lagen dort zwei Leichen aus dem Windebyer Moor. Ein Mann und eine Frau, wie man annahm. Beide sollten als Ehebrecher verurteilt und ins Moor getrieben worden sein. Durch neuere Untersuchungen hat sich herausgestellt, dass die vermeintliche Frau ein 16- bis 17-jähriger Junge war und der Mann etwa 300 Jahre zuvor starb. Wer sich wenigstens ein bisschen gruseln will, kann ja bei Wikipedia nachlesen: Moorleiche von Windeby
Im Außenbereich ist in den letzten Jahren etwas erbaut worden, dass es vor rund 40 Jahren bei meinem letzten Besuch hier noch nicht gab. Das Globushaus.
Darin befindet sich eine originalgetreue Nachbildung des Gottorfer Globus.
Dieser Hohlglobus mit einem Durchmesser von rund drei Metern wurde im Original zwischen 1650 und 1664, zusammen mit dem alten Globushaus gebaut. Außen war die damals bekannte Welt dargestellt, natürlich inklusive Amerika, das zu dieser Zeit schon mehr als 150 Jahre bekannt und erforscht war. Nur bei Australien war man sich noch nicht sicher, das war ja auch gerade erst entdeckt worden.
Im Inneren können ein paar Leute Platz nehmen und dann beginnt sich bei der achtminütigen „Fahrt“ der Globus um die Insassen herum zu drehen. Zu sehen sind bildliche Darstellung der Sternbilder mit den Sternen an den astronomisch weitgehend korrekten Stellen, so wie sie im Lauf eines Jahres von der Erde aus sichtbar sind.
Der Gottorfer Globus erlangte schon bald nach seiner Fertigstellung im 17. Jahrhundert große Bekanntheit. Ein bedeutender Besucher war 1713 Zar Peter der Große von Russland. Der hatte gerade, gemeinsam mit dem verbündeten Dänenkönig und Herrscher von Schleswig-Holstein-Gottorf, die Schweden besiegt. Da konnte ihm wohl sein Verbündeter den Wunsch, diesen Globus mitzunehmen, nur schwer abschlagen. Nach einer vierjährigen Reise kam der Riesenglobus in die Kunstkammer des Zaren nach St. Petersburg. Diese brannte 30 Jahre später aus und der Globus erlitt schwere Schäden, nur die Metallteile blieben noch erhalten.
Ende der neunziger Jahre hat man sich im Landesmuseum darangemacht, den Ur-Globus nachzubilden, 2005 war es vollbracht. Der Einstieg, wieder mit dem Gottorfer Wappen versehen, befindet sich im südlichen Indischen Ozean und heute können auch Normalsterbliche das Innere betreten, lediglich sieben Euro Eintritt sollte man parat haben und vielleicht etwas Geduld, je nach Andrang.
Vom Dach des modernen Globushauses geht der Blick über den Barockgarten.
Da könnte ich auch noch mehr als 70 Stufen zuerst rauf und dann wieder runterlaufen, aber ich habe keine Lust mehr. Im Schloß-Café Occos hat man einen Cappuccino und Apfelkuchen für mich, danach bin ich froh, mich wieder in meine eckige Rundsitzgruppe hocken zu können.
Info Landesmuseum Schloss Gottorf
Gruß
Henning
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